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Fabelhaftes


Die alte Grille und die weiße Taube
-ein Märchen für Erwachsene


Es war einmal eine alte Grille, die noch musizieren konnte. Jahrelang hatte sie im Konzert zusammen mit anderen Grillen vorgetragen und hätte ruhig in den Abend hinein singen können.
Aber es kam anders.
Sie sah wie der dicken Kreuzspinne eine große buntschillernde Fliege ins Netz flog. Die Spinne eilte auf ihren langen Beinen zu ihrem Opfer, betäubte es mit Gift, verschnürte es und begann es zu verspeisen. Da ward die Grille, die sich bis dahin mit Pflanzen und winzigen Bodentierchen begnügt hatte, neidisch. Sie rief den Waldschrat und bat: Verschaffe mir Gift, ich werde dich dafür Abend für Abend in den Schlaf singen!
Der Waldschrat, der zaubern konnte, murmelte:
Feuerqualle, grüne Galle, Fingerhut und böses Blut,
spuckte hinter sich, drehte sich blitzschnell um, fing einen dicken Gifttropfen in seinem Hut und gab ihn der Grille. Weil sie kein anderes Gefäß hatte, versteckte sie das Gift in ihrem Kopf, wo es sich sogleich in alle Ecken verkroch.
Nun wollte die Grille es der Kreuzspinne gleich tun, hatte aber kein Netz. Ungeschickt sprang sie den Fliegen nach. Die flinken Fliegen lachten über sie und ließen sich nicht fangen. Da wurde die Grille ärgerlich, stieß giftige Worte aus. Und wieder lachten die Fliegen. Darüber wurde die Grille so böse, dass sie fortan niemandem mehr ein gutes Wort gönnte, nicht dem Waldschrat, nicht den Spinnen und erst recht nicht den anderen Grillen. Niemand konnte es ihr noch recht machen, sie spuckte und spuckte Gift, wusste alles besser, gab Ratschläge wo sie nicht gefragt war, mischte sich ein.
Natürlich ärgerten sich die anderen Grillen, die friedlich miteinander musizieren wollten, denn immer häufiger störte sie, raschelte mit ihren Beinen und mäkelte herum:
Setz dich nicht auf diesen Platz, versperr mir nicht die Sicht, sing nicht so laut, summ nicht so leise, du kennst die Töne wohl immer noch nicht.
Das wollten die anderen Grillen nicht länger dulden. Sie fragten die weiße Taube um Rat: Was können wir tun?
Lange schwieg die Taube, kratzte sich mit dem Fuß hinter dem Kopf, dann sagte sie: Eine alte böse Grille ändert sich nie. Ihr könntet so tun, als hörtet ihr sie nicht. Das wird schwer, denn versprühtes Gift ätzt weiter. Aufhören wird sie nicht. Ich sehe nur eine Möglichkeit, sie muss verjagt werden. Ich will meine Base, die Zahntaube zur Hilfe holen, mit ihrem großen kräftigen Schnabel ist sie in der Lage, die alte Giftschleuder in die Flucht zu schlagen.
Darüber erstaunten die Grillen, so ein Rat von der weißen Taube?
Gilt sie nicht bei Mensch und Tier als freundlich?
Rührt sie nicht als Glückssymbol die Herzen der Menschen?
Ist sie nicht als Friedenstaube des Pablo Picasso weltweit bekannt?
Die Taube weiß und weise, lächelte fein und sagte:
Habt ihr den bewaffneten Frieden von Wilhelm Busch vergessen - ganz unverhofft auf einem Hügel sind sich begegnet Fuchs und Igel?
Überlasst dem Fuchs nicht das Fell !
Ich meine:
Freundlich ja, aber nicht um jeden Preis,
Glücksbringer schon, doch nicht ohne Verantwortung,
friedlich unbedingt, jedoch nicht wehrlos!                                                    10.3.2013


Vom Stern, der kein Taler sein wollte

Es war einmal, erzählen die Gebrüder Grimm, ein kleines Mädchen, dem waren Vater und Mutter gestorben, und es war so arm, …..dass es gar nichts mehr hatte als die Kleider auf dem Leib und ein Stückchen Brot in der Hand. Du weißt was kommt, das Kind gibt aus Mitleid alles weg, sogar sein Hemd. Zuletzt steht es da in der Dunkelheit. Sterne fallen vom Himmel und werden blanke Taler, die das Mädchen in sein neues feines Hemd sammelt und reich ist für sein Lebtag.

Was die Grimms übersehen haben, der kleinste der Sterne, springt aus dem Hemdchen wieder heraus und versteckt sich in einer hohlen Weide. Er möchte lieber weiter leuchten und nicht als Taler von Hand zu Hand wandern und dabei immer schmutziger werden, wie das bei Geld so ist.

Das Mädchen mit seinen Talern ist verschwunden. Vorsichtig lugt unser Stern, aus der Weide, blinkt vor sich hin und erschreckt einen Hasen, der mit einem Haken entsetzt zur Seite springt.

Da entschuldigt er sich und fragt, wie er wieder hinauf kommt, an den Himmel, wo er herkam. Ratlos kratzt sich der Hase hinter dem Ohr. Das dauert, du weißt, Hasenohren haben ihre Länge. Schließlich sagt er: „ Wir müssen den Igel fragen, der ist klug, hat mich einmal mächtig bei einem Wettlauf hereingelegt.“ Er nimmt den Stern, steckt ihn sich an den Schwanz und macht sich auf den Weg.

Das Eichhörnchen wundert sich, wer da mit Rücklicht durch den Wald läuft.

Wirklich, sie treffen den Igel, aber der kann ihnen nicht helfen, doch er hat einen Rat: „ Geht zum Fischer und seiner Frau, die beiden kennen einen Fisch namens Butt, bei dem man sich etwas wünschen kann.“

Jedoch die gierige Fischerfrau hat den Butt mit ihren unverschämten Wünschen verärgert, so dass der die Lust verloren hat, noch jemandem zu helfen.

Müde hoppelt der Hase zum Waldrand und bietet dem Stern an, sein Nachtlager zu teilen. Bald sind sie eingeschlafen, nur der kleine Stern schimmert noch vor sich hin; die Glühwürmchen wundern sich.

Der Hase träumt vom Baron Münchhausen, der an einer Bohnenranke auf den Mond geklettert ist,

um seine silberne Axt, die er da hinauf geschleudert hatte, zurückzuholen.

Am Morgen erzählt er seinen Traum und der Stern freut sich: „ Hurra, so mache ich das, zeig mir wo die Bohnen wachsen.“

„ So geht es leider nicht“, spricht der Hase, „der Baron hat Lügen erzählt und mit Lügen kommt man nicht weiter. Ich kann dir nicht helfen, am besten fragst du den Fuchs, der ist bei uns der Schlauste“ und springt davon.

Der Kleine bleibt im Gras zurück und hofft auf den Fuchs. Als tatsächlich einer vorbei saust, hat er Mühe, ihn aufzuhalten. Füchse interessieren sich nicht gerade für abgestürzte Sterne. Der Stern ruft: „ Ich habe gehört, du bist hier der Schlauste!“ Da hält der Fuchs geschmeichelt inne und fragt: Woher, wohin?“ „ Ich bin vom Himmel gefallen, sollte ein Taler werden, ich möchte das nicht.“ Ratlos kratzt sich der Fuchs den Pelz, nachdenklich sagt er: „ Das wäre wirklich ein schlechter Tausch. Ein leuchtender Stern sollte kein schnödes Geld, kein trauriger Taler werden! Aber wie kommst du am besten von hier weg?“ Er klopft sich mit seiner Rute an die Stirn, legt sie in Falten, --- plötzlich lacht er: „Mit Physik - natürlich mit Physik, Menschenwerk brauchen wir! Ich bringe dich zum Bahnhof. Zwar sind die Tauben da nicht gut auf mich zu sprechen, aber du, du bittest sie, dich auf den Moskauer Zug zu setzen. Dort angekommen, steigst du um und fährst weiter nach Baikonur zu den Raketen, da hängst du dich an eine dran und wartest auf ihren Start. Bist du erst einmal oben, passt du auf und wenn eine Kurve kommt, springst du ab.

Gesagt, getan, unser Kleiner wird an den Zug nach Moskau gebracht. Er versteckt sich bei den Rücklichtern des letzten Wagens und wartet auf die Abfahrt. Ein Pfiff, los geht die Reise. Richtig kommt er bis nach Baikonur, wird aber natürlich von den Wachleuten nicht auf den Weltraumbahnhof gelassen.

„Was nun?“ erkundigt er sich beim weisen Uhu von Kasachstan.

Der dreht seinen Kopf bedächtig hin und her und funkelt mit den Augen. Lange denkt er nach, dann sagt er: „ Bitte Iwanuschka, den alten Bauern um Hilfe. Schon vor grauen Zeiten hat ein Zar gesprochen: Schlau ist der Bauer, bringt alles zustande!“

Ob der Bauer wirklich etwas ausrichten konnte und ob der Stern nun angekommen ist, möchtest du wissen? Aber ja, ganz bestimmt! In warmen Sommernächten kannst du nachsehen:

Da oben, der Kleine, der so lustig blinkt, das ist er. Er freut sich, weil er kein langweiliger Taler geworden sondern wieder ein funkelnder Stern ist.


 

Die kleine silbrige Kugel Blanka

„Ah“, sagt der heiße Tropfen, als er sich am Ende der langen Glasmacherpfeife zu einer kleinen Kugel aufbläht.                            

„Oh“ strahlt die feine Kugel, als sie glänzend aus der Silberlösung auftaucht.                                                                                 Ach“, grämt sich die kleine silbrige Kugel, als sie als letzte vorsichtig in einen dunklen Karton gelegt wird.                                     Warten wir`s ab“, wispert ihre Nachbarin. Da schläft die kleine silbrige Kugel bis Weihnachten und wacht erst auf, als der Karton geöffnet wird.                                                                                                                                                                             Sie schaut sich um. Es wird gerade der Weihnachtsbaum hereingeholt und am Fenster aufgestellt. Der Vater befestigt Kerzen auf den Zweigen, die Mutter nimmt Kugeln aus verschiedenen Schachteln, große blanke, weiß überzuckerte, fein bemalte, durchsichtig schimmernde und zum Schluss  kleine silbrige.                                                                                                                       „Schön“, freut sich die kleine Christel und reicht der Mutter die letzte Kugel, „das ist Blanka“.                                                          Nun zündet der Vater die Kerzen an, alle setzen sich und singen,  „Am Weihnachtsbaum die Lichter brennen, wie glänzt er festlich lieb und mild“ „Das sind wir“, flüstert die silbrige Kugel Blanka.                                                                                                         „Zwei Engel sind herein getreten, kein Auge hat sie kommen sehn“ hört man  die Eltern.                                                                 Aber die kleine Christel rutscht hin und her und versteht nicht, was da gesungen wird. Geduldig erklärt der Großvater, „wir können die herein getreten Engel nicht sehen, es sind kostbare Bilder in den Köpfen der Menschen, die sich nach Schönheit, Leichtigkeit, Geborgenheit sehnen. Es sind Hoffnungen, Sehnsüchte nach Hilfe, Heilung, erfülltem Leben." „ Ja aber wieso für braunes und für weißes Haar?“ wundert Christel sich. Da lacht der Großvater, „auch das sind Bilder, es sind junge und alte Leute, denen Weihnachten gute Wünsche erfüllt werden ."  „Können die Engel wirklich helfen?“ fragt die Kleine.                                                                           „Natürlich,aber vergiss nie, nur zu guten Menschen kommen die Engel . Du musst dich selbst bemühen.“

Die Lichter sind heruntergebrannt, die Menschen schlafen. Im Mondlicht schimmert die silbrige Kugel Blanka.

 

Zwischen  den Zeiten

Der Wind hat den Himmel abgeräumt, türkisblaue Abenddämmerung. Letzte graue Wolken besäumen sich weiß rosa, sie wandern und  schieben eilig davon. Das schwindende freundliche Licht tröstet über den grauen Regentag. Es ist November, der Sturm hat den Bäumen schon vor Tagen das rote Herbstlaub entrissen. Nur noch die hellen Birken wedeln mit gelbdünnem Kleid. Zwei große, wächtergleiche Pappeln halten  in den höchsten Spitzen am Laubwerk  fest. Sie gewähren für ein paar dunkle Monate freundlichen  Blick auf den Turm der alten Dorfkirche.

Früh in der Regenpause haben mich die Vogelbeeren getröstet. Viele, kräftig rote, umgeben von funkelnden Wassertropfen schmücken die kahlen Äste.                                                                                                                                                                

Die Kohlmeisen aber ziehen den dicken Knödel am Balkon vor, turnen auf der kleinen Kiefer und  picken schwankend und schaukelnd am Futter, eine nach der anderen.                                                                                                                                   

Misslaunig schaut der Kater hinter der Fensterscheibe auf das Treiben. Wenn aber die Spatzen in Scharen auftauchen und über die wohlfeile Quelle herfallen, zieht er sich mit unbewegter Mine vor dem quirligen Geflatter zurück.

Am anderen Morgen hat sich die Wiese mit weißem Schleier bedeckt.

 

Hasen zuerst ?

Nachdem der Igel sich getrollt hatte, lag der Hase lange reglos in der Ackerfurche. Wie war es möglich, dass der krummbeinige Igel ihn besiegt hatte? Überzeugt von seinen langen Beinen war der überhebliche, dumm-dreiste Hase morgens zum Wettlauf auf dem Acker angetreten und hatte doch verloren. Er konnte es kaum glauben. Doch jeder neue Versuch hatte mit den Worten des Igels geendet: Ick bün all hier!

Matt und schlapp lag der Hase da und konnte sich keinen Reim darauf machen. Erst als es dunkel geworden war, berappelte er sich,  taumelte und schaukelte, stolperte und holperte schwankend in den Wald.

Die Eiche wundert sich, was ist das, der Vornehme, der mich sonst keines Blickes würdigt, versteckt sich hinter meinem Stamm? Das Gras zittert und raschelt, nicht mal an unseren saftigen  Spitzen hat er geknabbert? Das winzige Nagetier staunt, der dumme Hase hat versucht, sich in unserem Mauseloch zu verkriechen. Und der kleine Fuchs, der schon nach dem großmäuligen Hasen auf der Lauer gelegen hatte, ärgert sich,  mir ist der Appetit vergangen, so ein schlotterndes Weich-Ei mag ich nicht jagen.

Der weise Uhu hat alles gesehen und sagt dem Hasen, Hochmut kommt vor dem Fall. Der schlaue Igel hat dich mit Hilfe seiner Frau überlistet. Mit Großmäuligkeit und übler Selbstüberschätzung erringt man keinen Sieg. Statt eitel deine blonden Barthaare zu streichen und deine eigene Person zu bewundern, hättest du deinen Verstand benutzen sollen. Du bist nicht der Größte, Schönste und Allerschlauste!

 Der Hase duckt sich beschämt, kleinlaut fragt er, was kann ich tun?

Der kluge  Uhu antwortet: Mit  deinem abgrundtiefen Größenwahn und diesem grenzenlosen  Egoismus - H a s e n  z u e r s t -    wirst du eine  Bruchlandung nach der anderen hinlegen, alle Welt abstoßen und keine Freunde gewinnen.Denk nicht nur an dich! Verachte  nicht die anderen, weil sie dir nicht gleichen! Nutze deine Möglichkeiten, hilf Tier und Mensch! So gelangst du zu innerer Schönheit, wirst geachtet und geliebt. Denke nach, manchmal kann eine Niederlage auch ein Sieg sein, ein Sieg über sich selbst!     Lautlos streicht der Uhu davon und ruft dabei: „Werde lieber Osterhase!“

 

 

Das Weihnachtsjahr 

Zwischen Weihnachten und Neujahr musste früher die Arbeit ruhen, dann kam Frau Holle auf die Erde, um nachzusehen, wer das Jahr über fleißig oder faul gewesen war. Sie  bat die Menschen um Nahrung und Obdach. Wer half, wurde reich belohnt, wer geizig war, bestraft. Danach zog sie sich wieder in die Wolken zurück, denn wie du weißt ist sie für den Schnee im Winter verantwortlich, je mehr sie die Betten schüttelt, umso höher liegt der Schnee.

In den letzten  Jahren kam sie immer niedergeschlagener heim, war traurig. Sie verstand das rastlose Treiben der Menschen nicht mehr. Darum rief sie ihre Freunde herbei, um sich Rat zu holen.

     Und da sitzen sie nun beim Backofen auf der Wiese mit dem Apfelbaum, wohl über hundert Märchengestalten, hören die Klagen der Frau Holle und überlegen, was da falsch gelaufen ist auf der Erde und was zu tun ist. Soll die Weihnachtszeit abgeschafft werden?

„Das wäre schade“, sagt Aschenputtel, „mir gefällt allerdings nicht, dass ich das ganze Jahr im dicken Märchenbuch der Gebrüder Grimm stecke und nur zu Weihnachten herausgezerrt und gleich dutzende Male im Fernsehen vorgeführt werde. Viel schöner wäre es, wenn unsere Geschichten den Kindern während des ganzen Jahres vorgelesen würden.“ Hänsel ist auch ärgerlich: „Meine Knusperlebkuchen  haben schon nach dem Sommer in den Supermärkten herum gelegen, die Leute haben sie gekauft und zur Weihnachtszeit  waren sie nichts Besonderes mehr.“ Das tapfere Schneiderlein beklagt sich: „Genäht haben sie nichts, gebastelt auch nicht, sind stattdessen in die Kaufhäuser gestürmt und haben nach allerlei Sonderangeboten gejagt.“ Die Stadtmusikanten schimpfen:„Das laute Treiben auf dem Bremer Weihnachtsmarkt, die überall gedudelte Endlosschleifenweihnachtsmusik - einfach nervig!“ Rotkäppchen wundert sich über die vielen übergestülpten roten Mützen, „das kam mir eher wie Fasching vor.“ „Ja das war ein bisschen lächerlich“, meint die Großmutter, „eine Äußerlichkeit, die Weihnachtsstimmung vortäuschen soll, schlichte Adventskerzen wären besser gewesen.“ Dornröschen lacht: „Dafür überladen immer mehr Leute Häuser und Gärten mit flackernden Lichterketten und verschanzen sich mit beleuchtetem Kram wie hinter einer Dornenhecke, bloß das kein Prinz sie wachküsst.“ Viele, wohl an die hundert störende Ärgerlichkeiten werden beklagt, die nichts aber auch gar nichts mit dem Weihnachtsfest zu tun haben.

„Was sollte also geändert werden, müssen wir auf die Vorbereitungen verzichten?“, wird gefragt.

„Natürlich nicht, “ erklärt die kluge Bauerntochter, „Christen und Nichtchristen feiern Weihnachten heute meist als Familienfest mit gegenseitigem Beschenken, egal ob es als Christfest, Fest des Friedens oder des Lichtes gefeiert wird, es verliert seinen Glanz, wird sozusagen verunreinigt, wenn es vermarktet wird. Ja wenn wir statt des gedrängten Festes, ein Weihnachtsjahr hätten, könnten wir Hektik und Stress vermeiden. Zum Beispiel sollten die Menschen das ganze Jahr singen.“ Schon quakt der Froschkönig: „Heut ist ein Fest bei den Fröschen am See, Ball und Konzert und …“ Da schmunzelt die Bauerntochter: „Sing nur, das mit den passenden Weihnachtsliedern geht dann ganz leicht.“ Schon summt Gretel: „Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum l“, und die ganze Märchenwelt fällt ein, „...wie grün sind deine Blätter, du grünst nicht nur zur Sommerzeit …“

Hans, der es wissen muss, rät, in bescheidener Weise nach Weihnachtsglück zu suchen. „Weder steckt es in einem riesigen Goldklumpen noch liegt es in den Regalen der Geschäfte und online ist es auch nicht zu finden. Weißt du Frau Holle, die Menschen haben nur ein bisschen die Richtung verloren, es gibt immer noch viele gute Seelen, die bereit sind, den Schwachen zu helfen, Freude zu verbreiten und das nicht nur zur Weihnachtszeit nein auch … im ganzen Jahr.“

Frau Holle antwortet: „Wenn die Erdenbewohner das verstehen würden, es auch den Kindern erklärten - und dabei könnten die Märchen wunderbar helfen -, hätten sie alle das ganze Jahr Ruhe und Frieden in ihren Herzen. Das Weihnachtsfest wäre bescheiden, still und leise käme es heran.“

„Ja,“ freut sich der Igel „und dann könnte es uns alle vergnügt begrüßen: ICH BIN SCHON DA!“


                                                                                                                          


Das Rad der Zeit dreht sich immer weiter


 Rastlos

die Stunden,

folgen  unergründlichem Kreis,

unermüdlich, unaufhaltsam. Scheinbar endlose

Zeit

Als der große Geist die Weltordnung  einführte gab er  den Menschen  Licht, Liebe, Freude,  Wärme und was sonst so zum Leben gehört. Ab  sie dankten es ihm nicht, waren sorglos, vergeudeten das Licht, sahen nicht die Endlichkeit der Liebe, unterschätzten die Freude  und verschwendeten die Wärme.

Nun schickte er auch noch Dunkelheit, Hass, Gram und Kälte auf die Erde. Aber damit wussten die Menschen fertig zu werden, trafen ihre  Vorkehrungen und  blieben sorglos.

Da eilte das Schicksal dem großen Geist zur Hilfe: „ In deiner Weltordnung fehlt die Zeit. Solange  für die Menschen alles immer fortbesteht, endlos ist, werden sie unachtsam bleiben und nichts wird sich ändern.“

Augenblicklich sandte er die Zeit in die Welt.

Das Schicksal aber packte die Zeit bevor sie davon eilen konnte, krümmte sie, bis sich Anfang und Ende berührten , formte ein Rad und trieb es ,wie die Kinder ihre Reifen, davon und in die Welt.

Da kreist das Rad der Zeit, kreist und kreist und kreist.

Wie kommt es aber, dass du als Kind so unendlich lange gewartet hast, bis du erwachsen warst?

Und warum zerrrinnt dir nun, da du alt geworden, die Zeit wie im Fluge?     


 

Der dicke Delfin und das aufrechte Seepferdchen


Es war der 23. Dezember, in der ersten von 14 Raunächten in denen Frau Holle den Fleißigen und Braven Wünsche erfüllt.
Der kleine Leif schlief tief und fest in seinem Bettchen, als ihn sanft die Traumfee berührte.
Leise stand er auf, um nach seinen Freunden, den großen, hölzernen Wächtern vor dem Haus zu sehen. Der dicke Delfin und das aufrechte Seepferdchen hatten ihn schon erwartet.
„Schön, dass Du da bist!“, pfiffelt der dicke Delfin und das aufrechte Seepferdchen nickt freudig mit seinem Kopf. „Wir wollen einen Ausflug machen, immer nur sehen, wie Leute mit leeren Wagen in die Kaufhalle gehen und voll bepackt wieder herauskommen, macht keinen Spaß.“ „Ja, aber“, seit wann gehen Fische in die Kaufhalle?“, wundert sich der kleine Leif. „ Obwohl es nicht so aussieht“, sagt der dicke Delfin und zeigt auf das Seepferd, „ ist nur er trotz seines Pferdekopfs ein Fisch. Ich sehe zwar so aus, bin aber kein Fisch, muss Luft atmen.“ „ Also Kaufhalle ist zu gefährlich“, meint Leif, „ da haben sie schon vor Monaten mit dem Verkauf von Schokoladenweihnachtsmännern begonnen und die Ärmsten werden in den nächsten Tagen einfach aufgegessen.“ Das aufrechte Seepferd schüttelt heftig den Kopf.
Der dicke Delfin verlangt nun: „ Dann lasst uns zum Hechtsee gehen, dort sollen Enten, Schwäne und Fische leben und Eisbecher gibt es dort auch!“
Es kommt der Mond hinter einer Wolke hervor, er wundert sich: „ Eis essen im Winter? Ohne Begleitung über die Straße gehen? Die Schwäne und Enten sind im Winterquartier, die Fische schlafen auf dem Grund des zugefrorenen Sees. Stattdessen werden da jetzt Karpfen verkauft, nicht das dort noch der dicke Delfin mit ihnen verwechselt wird!“
„Warum verkauft?“, fragt der kleine Life. „Als Festtagsessen zu Weihnach … “, hören sie noch gerade so, da ist der Mond wieder verschwunden.
Unsere drei lassen die Köpfe hängen, da wird es wohl nichts mit dem Ausflug!
Aber nun fängt es leise und sacht an zu schneien, immer dicker werden die Flocken, das aufrechte Seepferdchen hat schon ein Käppchen auf dem Kopf , der dicke Delfin wird noch breiter und sieht ganz weiß aus. Leif hat sich die Pyjamajacke hoch über den Kopf gezogen.
Lächelnd sieht Frau Holle vom Himmel herab und ruft: „ Ihr seid das ganze Jahr fleißig gewesen, habt das Haus bewacht und Life war fast immer brav, Ihr habt eine Belohnung verdient. Ich lasse Euch ins Haus. Life, Du machst die Musik an und guckst durch die Scheibe, denn einen so kleinen Jungen kann ich nicht allein ans Wasserbecken lassen. Ihr aber, das aufrechte Seepferdchen und der dicke Delfin, dürft euch im warmen Wasser tummeln. Der dicke Delfin springt auf, mit einem Riesensatz gleitet er ins Wasser, das aufrechte Seepferdchen folgt hoppelnd nach und schaukelt im Wasser auf und ab wie ein Flaschenteufel.
Life hat nach Musik gar nicht erst gesucht, er singt: „Morgen Kinder wird`s was geben, morgen kommt der Weihnachtsmann!“, und drückt seine Nase an die Scheibe.
Verwundert schaut die Mama am Morgen als Leif ans Fenster springt und fröhlich schreit: „Na seid Ihr wieder trocken?“
Auf der hölzernen Bank sitzen stumm lächelnd der dicke Delfin und das aufrechte Seepferdchen


 

Kleine Wunder

Laut tönt der Gesang. Erst schmetternd, dann leise, wohltönend, klagend, flötend,  von kleinen Pausen unterbrochen singt der Vogel, im Gebüsch verborgen.Ich höre die Nachtigall. Oder ist das ein Sprosser? Nein, den schmetternden Strophen folgen  leise, klagende Töne. Das schluchzende Motiv, düü-düü-düü-düü- düü-düü-düü-trr-zick, ist unverwechselbar, berührt mein Herz. Und dann sehe ich sie, sie turnt in den schwankenden Zweigen der kleinen Birke, erklimmt einen hohen Ast. Winzig ist sie. Wie kann dieser unscheinbare kleine Vogel den weiten Wiesenraum mit solchem Gesang erfüllen? Ich setze mich auf die nahe Bank, lausche, schaue, staune.                   Eine Frau nähert sich mit ihrem Hund,  horcht, sieht lächelnd auf mich und hinauf zur Nachtigall. Ein junger Vater mit seiner kleinen Tochter bleibt stehen und sieht mich fragend an. „Das ist eine Nachtigall“, sage ich. Er strahlt. „Was hat´se jesagt?“, fragt die Kleine. „Nachtigall“,  antwortet der Vater. Sie gehen weiter. Später beim Rundgang treffe ich die beiden noch einmal. Da zeigt das Mädchen auf mich und lacht: „Die Nachtigall!“

Am frühen Morgen höre ich wie der Nachbar mit meinem Kater spricht: „Du kommst zu spät, die sind ausgeflogen“. Hochgereckt, unzufrieden maunzend  steht der Kater am Balkongitter.Er vermisst das Gezirp der kleinen Meisen aus dem Brutkasten von Nachbars Balkon.„Die sind heute früh ausgeflogen, haben eine Runde gedreht und sich in einer der hohen Pappeln niedergelassen!“ erzählt der Nachbar. „ Ein Vogel ist zurück gekommen, hat sich auf meine Schulter gesetzt, als wolle er sich verabschieden, dann hat auch er sich endgültig davon gemacht.“ Auf solcherlei Wunder muss ich leider verzichten, ich kann keinen Nistkasten anbringen. Du verstehst, der Kater!                                                                                                                                                                                  Zwanzig Meter vor den hohen Hecken am Haus eilt  eine schwarzweiße Katze  über den Weg,  hinter ihr saust ein weiteres ganz kleines schwarzweißes Tier her.  Ich wundere mich über die verkehrte Welt.  Die Hecke passierend  sehe ich: Aufrecht in gesammelter Haltung sitzt die Katze auf dem Rasen, eine Elster umkreist sie mit hopsenden Sprüngen und wildem Gekecker. Ratlos schaut die Katze auf das Spektakel. Schließlich erhebt sie sich und  schreitet,  die sie umkreisende schimpfende Elster ignorierend, davon.

 

 

Schade, nur Traum

Was  zupft und knabbert da an meinem  Ohr?  Es ist mein Rabe. Sein schwarzes  Gefieder irisiert in der Sonne. Er steckt seinen kräftigen  Schnabel  in all meine Angelegenheiten, hat  einen Schalk im Nacken. Mit Vorliebe zieht er den Kater am Schwanz. Dann schaut er mich mit einem seiner dunklen Knopfaugen  fragend an. Wenn ich den Kopf schüttle, lässt er ab vom Kater, nicke ich, macht er weiter und wenn ich lache, fliegt er auf, schießt eine Luftrolle, stößt pfeilschnell herab und landet trotz seiner Größe sanft auf meiner Schulter. Er spürt, wenn ich mich ärgere.

Vor uns führt ein Mann seinen Hund an der Leine. Der erledigt sein Geschäft auf dem Gehweg, der Mann reagiert nicht und will weiter. Mein Rabe sieht mich an, ich nicke. Da fliegt er gegen den Hund, packt die Leine, wickelt sie um seinen Fuß. Der Hund schnappt, der Rabe weicht zurück, die Leine spannt - da liegt der Mann im Hundeglück, auf fliegt der Rabe.

Der Dame mit der liegengelassenen Zeitung fliegt er nach und stopft  ihr die in die Tasche.

Vor dem aggressiven, spurspringenden Autofahrer schießt er an der nächsten Ampel  seine Luftrolle und setzt einen fetten Klacks auf die Frontscheibe.

 Er zwickt den Vater, der auf sein weinendes Kind einschreit.

Dem Jungen mit der hämmernden Musik verstellt er den Sender, „krok, kra, krok, kra,“ schimpft er lauthals im Abflug.

Er umkreist mit schaukelndem Schritt das Mädchen mit dem nackten Bauch,  bis es verlegen an der zu kurz geratenen Bluse zieht und seinen üppigen Schwimmring versteckt.

Dann fliegt er einem betrunkenen Krakeeler auf den Kopf und  tätowiert ihm mit seinen Krallen ein Zusatzmuster auf die Glatze.

Schluss  -  für heute haben wir genug davon!

Stell Dir vor, Du dürftest meinen Raben ausleihen. Was sollte er für Dich tun?

 

 

Der Ohrwurm

 

In meinem Kopf summt und rumort es aufdringlich:

Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus,

da bleibe, wer Lust hat mit Sorgen zu Haus.

Wie die Wolken dort wandern am himmlischen Zelt,

so steht auch mir der Sinn in die weite, weite Welt.

 

Das kannte ich schon als Kind, habe es oft und oft gesungen. Und nun ? Bloß nicht nachdenken, sonst fallen mir auch noch die anderen fünf Strophen ein und ich werde den Ohrwurm überhaupt nicht mehr los.

Plötzlich, was passiert denn da, höre ich ein Murren:  „ Ohrwurm? Was heißt denn Ohrwurm, das ist beleidigend und das hatten Emanuel Giebel und Justus Wilhelm Lyra, die Schöpfer des Liedes nicht im Sinn.“

„Nanu“, denke ich, „wer spricht denn da?“ „Wir sind`s“, die Worte aus dem Lied, „wenn Du von uns die Ohren voll hast, dann wir von Dir die Nase, wir gehen!“

Und ob Du´s nun glaubst oder nicht, aus meinem Kopf springen der MAI, die BÄUME, die LUST, die SORGEN, die WOLKEN, das himmlische  ZELT und die weite weite WELT . Die Arme in die Seiten gestemmt, stehen sie da und schauen mich wütend an. „Oh, äh, Entschuldigung, “ stottere ich,

 „kränken wollte ich Euch nicht.“ „Zu spät, wir verschwinden hier“, sagt der MAI, reißt das Kalenderblatt ab, weg ist er und mit ihm die bunten, duftenden Blüten und das leuchtende Maigrün.

Da habe ich ja was angerichtet. „Bleibt doch, bleibt doch“, bitte ich, „ nie wieder schimpfe ich Euch Ohrwurm!“ Aber gekränkte Worte lassen sich nicht aufhalten. Die WOLKEN ballen die Fäuste, zeigen grimmige Gesichter, blasen zum Sturm. Der reißt das himmlische ZELT von den Haltetauen und trägt es davon. Verschwunden ist die weite WELT. Da schleicht die LUST ins Haus und legt sich schlafen. Na das ist eine Katastrophe, die Hunde mögen nicht mehr bellen, die Vögel wollen nicht zwitschern, die Pflanzen hören auf zu wachsen, die Menschen erfinden den Null Bock.

Nur die BÄUME stehen noch unschlüssig da. „Was machen wir?  Eigentlich wäre es an der Zeit, Knospen zu öffnen und Blätter auszubreiten“, mahnt der Lindenbaum. „Ja“, knarrt die alte Eiche: „Wir müssen uns entschließen. Wachsen wir weiter! Würden wir streiken, gingen nicht nur der Ohrwurm  sondern auch die anderen Kleinkriecher und Krabbler zugrunde. Verschwunden wären die Käfer, Ameisen und die Vögel, samt ihrem persönlichen Ohrwurm:  … alle sind schon da, alle. Auch die Menschen  wären verloren. Dabei  mögen sie uns, denkt doch, wie viele Lieder sie über uns singen und  wir sind ihnen Sinnbild für  S t a n d h a f t i g k e i t.“

„Ach“, fragt die kleine Tanne: „ Ob sie deshalb so  viele Wirtshäuser nach uns benannt haben?“ Da biegen sich die Weiden und lachen: „Nee, nee, das wissen die Menschen auch so, dass die Standfestigkeit im Wirtshaus von ganz anderen Dingen abhängt.“  

  Es nicken die Birken, die Buchen recken die Äste und die Kastanien setzen ihre Kerzen, alle Bäume schlagen aus. Die kleine Vogelbeere nimmt die Sache wörtlich und haut mir einen Zweig mitten ins Gesicht. „Das habe ich verdient“, sage ich. Aber die SORGE mahnt: „ Auch wenn Du ärgerlich  bist, man prügelt sich nicht!“ Da schämt sich die Kleine so sehr, dass ihre Beeren ganz rot werden.

   Ich aber summe ganz leise eine Melodie. Du weißt schon welche. Siehe da, sie kommen zurück: die weite Welt, das himmlisch Zelt, die wandernden Wolken, der Mai -  und auch die Lust ist wieder da.   

 

 

U-Bahn fahren

Ich rolle auf der Treppe zum Bahnsteig.

 „Guten M o r g e n, “  „Guten M o r g e n“ tönt es mir lautstark entgegen. Auf dem  Perron, nicht zu überhören, schiebt ein Mann sein Fahrrad mit gleich sechs Papageien, die  auf einem vorgebauten Gestell Platz genommen haben. Es sind drei Pärchen, prächtige langschwänzige Aras, grüne Rosenköpfchen und  afrikanische Graupapageien. Sie schwatzen und kreischen  aufgeregt durcheinander. Aus welcher Kehle das pausenlose „Guten Morgen“, „Guten Morgen“ kommt, kann ich nicht erkennen. Besonders den Graupapageien sagt man ein feines Gehör, gutes Gedächtnis, starken Nachahmungstrieb und einen vielseitigen Stimmapparat nach.

   Als der Zug einfährt, steige ich entgegen meiner sonstigen Gewohnheit nicht an der Zugspitze ein, ich folge den Papageien und setze mich so, dass ich sie gut sehen kann.

Vorsichtig balanciert der Mann das Rad aus, setzt sich vor die Vögel auf einen Klappsitz und spricht beruhigend auf das laute Völkchen ein. Er legt seinen Kopf an die Wange des rotprächtigen Ara und krault seinen Hals. Dessen grünbunter Partner zupft unterdessen ausdauernd am Ohr des Mannes.

   Die U-Bahn hält. Ein junges  Mädchen steigt ein, stutzt, holt das Handy heraus und erzählt lachend einer Freundin von der munteren Gesellschaft. Einer der kleinen Graupapageien knabbert vorsichtig am Kinn des Mannes, der andere schimpft und hackt eifersüchtig auf ihn ein.

   Wieder steht der Zug. Eine Mutter und ihr kleiner Sohn treten ein, werden lauthals „Hallo, Hallo“ begrüßt. Die Mutter setzt sich, der Junge stellt sich dicht vor die Tiere, von Zeit zu Zeit eilt er, seiner Mutter Bericht zu erstatten. Sie erteilt ihm Aufträge: „ Frage, was die Vögel fressen, ob sie sprechen können, ob der Mann in den Zirkus will.“ Dem Jungen scheint es peinlich zu sein, aber brav bemüht er sich, die Neugier der Mutter zu befriedigen.

  Erneut Halt an einer Station, ohne aufzusehen steigt eine Vietnamesin ein, setzt sich und fährt beim geschnarrten „Hallo, Hallo“ entsetzt in die Höhe, sieht die Papageien und lacht.

   Jetzt kommt ein Mann durch den ganzen Zug marschiert und  fragt, ob er ein Foto machen darf, das glaubt ihm sonst doch keiner. Es wird ihm gestattet. Er nimmt die Vögel so ins Visier, dass die bunte Bahnanzeige mit ins Bild passt.

    Stumm baut sich ein junges Mädchen auf, sie fotografiert ohne ein Wort zu sagen und geht grußlos. Glaubt sie, der Mann hat für sie mitgefragt? Denkt sie gar nichts dabei? Oder ist sie eine von den jungen unerzogenen Menschen ohne Distanz, wie sie leider immer häufiger auftreten? Letztens musste ich im voll besetzten Abteil einen jungen Mann auffordern, seine ausgebreiteten Sachen wegzuräumen, damit sich eine werdende Mutter setzen konnte. Dass jemand gar aufstehen und seinen Platz anbieten würde, ist ohnehin fast gänzlich aus unserer Kultur verschwunden. Aber das blitzt mir nur kurz durch den Kopf, es überwiegt die Freude an den unterhaltsamen Papageien.

   Als mich der Papageienmann nach der Station fragt, die er erreichen will, überlege ich, ob ich nicht mit aussteigen soll, um zu sehen, wohin er geht. Ich öffne ihm dann doch nur die Tür und bleibe lächelnd zurück.

  Die ungewöhnliche Gesellschaft hat die sonst in sich gekehrten Menschen geweckt und freudig bewegt. Mein aufgekommener Wunsch mit auszusteigen, lässt mich auf die wissbegierige Mutter mit Nachsicht sehen. Einen Moment lang war auch ich längst vergessener kindlicher Neugier erlegen, nein, das ist nicht richtig, ich durfte mich daran erinnern.

 

 

U-Bahn fahren II

Misswirtschaft  bei der S-Bahn  macht  ärgerliche Gesichter und   -  volle U-Bahnen.

 In Hönow gibt es noch ausreichend Luft und Sitzplätze. Mein Gegenüber sind eine Mutter mit Kind und ein Rollstuhlfahrer an der Tür, alle mit verschlossenen Gesichtern. An der ersten Haltestelle steigt eine Frau ein, begleitet von einem jungen Schäferhund an kurzer Leine. Maulkorb hat er keinen. Müsste er aber, denke ich und dann vergesse ich das. Der Hund folgt aufs Wort, legt sich vor seine Besitzerin und lässt keinen  Blick von ihr, ein schönes Bild. Ich schaue auf den Hund, dann in die Gesichter, alle haben dieses Lächeln in den Augen, das wir  bekommen, wenn uns etwas anrührt.Neue Station, der Hund steigt aus, schade.

Herein stakt, ich weiß nicht was, ein riesiges Mädchen, eine junge Frau?  Mein Vater hätte gesagt:  Ein Kawenzmann und Benni: Mächtig gewaltig Egon!Sie belegt einen Mittelplatz, mühsam quetschen sich zwei dünne Frauen rechts und links daneben.

Wieder schaue ich, dieses Mal mit innerlich offenem Mund. Das flache Gesicht  ist merkwürdig verändert. Einen Zentimeter über dem Rand der Augenhöhle hat sie grüne Bogen auf die Stirn tätowiert, eigentlichen Brauen sind nicht mehr da. Die sehr hohe Stirn wirkt durch diesen Kunstgriff nicht schmaler, denn die hochgeklammerte Grüntolle verhindert das. Den spärlichen Pferdeschwanz schmückt eine große Blümchenschleife, grün versteht sich. Die kettenbestückte Handtasche im Leopardenlook, grün;  der Schal mit Hahnentrittmuster, grün;  die kettenbehängte Jeans, nichtgrün, ungrün!Das Gesicht von zahlreichen Ringen und Metallkugeln an und um Mund und Nase, auch Ohren verziert, schnieft das seltsame Wesen in schöner Regelmäßigkeit.Und nun komme ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Aus der leopardigen Tasche holt sie, „die junge Dame“, klappernde Ohrgehänge heraus. Eins um das andere entwirrt sie, hängt  es ein, bis auch das letzte freie Ohrstück bebammelt ist. Nun ist sie fertig, denke ich. Irrtum, sie zieht das rechte Hosenbein hoch, ein ungeschnürter Stiefel, der schon lange kein Fett mehr gesehen hat, wird sichtbar. Behindert durch lange grünschwarz entstellte Fingernägel,  zerrt, zieht, richtet sie die Schuhbänder, wickelt sie um den Schaft, knotet. Zweites Bein!  Die Mutter mit dem Kind verdreht die Augen, der Rollstuhlfahrer schüttelt den Kopf.Jetzt  ist sie wirklich mit ihrer Morgentoilette am Ende, holt ein Buch aus der Tasche. Grün ist es nicht, aber ich wäre verwundert gewesen, würden keine Horrorgestalten den Umschlag geziert haben.  Mitleid erfasst mich: Dich hätte ich gern zu Johanni zur Beratung geschickt,  aber wie kann ich der Fremden vermitteln, dass weniger mehr wäre und ihrer kräftigen Gestalt eine sportliche Aufmachung viel besser anstehen würde?

Inzwischen haben wir sieben Stationen passiert. Die U-Bahn ist überfüllt, sehen kann ich nichts mehr, wohl aber hören: Regelmäßiges, taschentuchloses Geschniefe!

Als wir am Alex sind, warte ich, bis die Grüne aussteigt. Ich will mir unbedingt noch die Rückseite besehen und werde nicht enttäuscht:  Sechs Ketten über den hinteren Backen verbreitern deren Wirkung, üppig  gepolsterte Haut blitzt zwischen Hose und Jacke auf, von der  ein aufgenähter Ochsenkopf herunter glotzt.

Warum fällt mir jetzt meine U-Bahngeschichte mit den Papageien ein? Ich muss mich bei den liebenswerten Vögeln entschuldigen.    

 

 

Mein erstes Buch

„Katze möchte ich sein“, sagt die Tochter beim Anblick ihrer entspannt schlafenden Katze „oder Katzenmütterken!“  Heinemann fällt mir ein, Katzenmütterken Heinemann! Das war ihre Lieblingsgeschichte aus „ Von Surr und Schnurr und anderem kleinen Volk“ von Sophie Wilmanns, die wollte sie immer wieder hören.

 Der Großvater hat mir daraus vorgelesen und ich habe mich durch die Geschichten, sobald ich die Buchstaben kannte, mühsam durchgearbeitet. Einfach war es nicht, das 1924 im Thinemanns Verlag Stuttgart erschienene Buch enthielt anders als meine Fibel altmodisch verschnörkelte Buchstaben, die ich teilweise erraten musste. Der Großvater half, wenn es gar nicht weiterging und schenkte mir eines Tages das inzwischen reichlich zerlesene Buch. Vor einigen Jahren habe ich es restaurieren lassen. Der Einband wurde erneuert, das Titelbild sorgsam abgelöst und wieder aufgebracht, die ausgefransten Seitenränder säuberlich und fein verklebt.

Die Seiten sind vergilbt, aber alle Geschichten sind noch da, leben. Die alten Tondruckbilder der Valerie May- Hülsmann sprechen sofort zu mir und holen mich in die Kinderzeit zurück.

Besonders die Titelgeschichte hatte es mir angetan.

Als Surr, die kleine Stubenfliege das graue Haus verlässt, trifft sie auf den bunten Glasscheiben der Haustür des gelben Hauses gegenüber auf Schnurr. Er erzählt ihr von seinen Abenteuern, um sie zu warnen,  vom grünen Froschglas, dem er  entronnen, von der honiggelben Fliegenfalle, in die er bereits mit einem Bein geraten war, von der roten Kerzenflamme, die ihn verlockt hatte. Die kleine Fliege fürchtet sich entsetzlich, ihr wird schwindelig von der farbigen Welt hinter den kleinen Fenstern und fliegt zurück. Dabei  übersieht sie das Netz, das inzwischen aufgespannt wurde und wird von einer Spinne eingesponnen und verspeist.

„Denn stimmt dat nich“, sagte der Großvater, „ob Ost ob West, to Hus is doch nich ümmer dat best“.  

Ich aber bin für alle Zeiten von bunten Glasscheiben fasziniert.       

 

 

Hinauf, hinab, im Kreis

 

Ein runder, kleiner Wassertropfen

wollte gern am Himmel sein. -

Du kannst  an Fensterscheiben klopfen,

als Wolke bist du viel zu klein!

Und wenn schon, denkt der Kleine,

so schnell geb ich nicht auf,

zwar schaff ich´s nicht alleine,

ich will dennoch hinauf.

Keck schaut er aus der Pfütze,

dann packt er einen Sonnenstrahl,

winkt vergnügt mit seiner Mütze

lässt hoch sich ziehn und grüßt nochmal.

Versammelt sind viel Regenbrüder

in den Wolken, schaun umher,

singen sanfte schöne Lieder

von Bach, von Fluss und großem Meer.

Ganz leise, leise hört man schon

feinen Klang und zartes Rauschen,

`s folgt Prasselschlag und Hagelton,

 atemlos die Menschen lauschen.

Tropfen purzeln, stürzen, stieben

zur Erde herab. Sie eilen

zum Meer, sie lassen sich wiegen.

Schaum und Wellen! Verweilen!

Steigen und fallen, Ströme im  Reigen,

Wind geht darüber, es lacht die Sonne,

beide über die Wasser sich neigen,

locken und zerren die Tropfenkolonne.

Schweigend schweben die Feuchten hinauf,

schauen zurück aus hellblauem Zelt.

Wolken zart, gleich Nebel und Rauch,

wartend bis wieder der Regen fällt.

Wasser durchfließt Mensch, Pflanze und Tier,

erquickt, belebt, ernährt die Welt,

Wasser ruht nie,  ist voller Gier

im  steten, ewigen Kreislauf zu sein.

 

 


Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne …, Hesse

Mir hat der Wolf in den Märchen immer leid getan. Es war mir nicht recht, dass ihm Steine in den Bauch gelegt wurden, die ihn mit ihrem Gewicht in den Brunnen zogen.

Seit vor Jahren erstmals von Wolfsspuren die Rede war, hoffe ich auf seine Rückkehr.

Es war zum zweiten Mal Frühling als Akela, die Wölfin spürte, dass die Zeit gekommen war, das Rudel zu verlassen. Im vergangenen Jahr hatte sie der Mutter bei der Aufzucht der Jungen geholfen. Wenn jetzt eine neue Geburt bevor stand, würde in wenigen Wochen das Revier zu klein, der Bau zu eng werden. Nachts machte sie sich davon.Ein langer gefährlicher Weg stand ihr bevor. Sie interessierte sich nicht für die Menschen, ging ihnen aus dem Weg, wollte nur Nahrung, Raum und Frieden. Sie wusste nichts vom bösen Wolf als Kinderschreck, hatte aber unangenehme Bekanntschaft mit einem zwickenden Zaun am Schafpferch gemacht und nutzte Wildbrücken zum Überqueren der großen Straßen, die mitten durchs Wolfsrevier führten.Als sie an die 1000 Kilometer gewandert war, hörte sie aus der Ferne Taruk, den Wolf. Sie antwortete und traf mit ihm auf dem alten Truppenübungsplatz im Südbrandenburgischen zusammen. Wird es ein neues Rudel geben?                                                          

Ein paar Monate sind vergangen. Vor einigen Tagen wurden  frische Spuren auf einer Brache gesichtet, Spuren von Wölfen.

Ich verstecke mich am Waldrand. Nein, Angst habe ich nicht, ein lauter Ruf, ein Händeklatschen würden  den Wolf verscheuchen, ich warte.Da erscheinen fünf tapsige Welpen, spielen, raufen, üben ungeschickt den Mäusesprung. Akela, die Mutter sehe ich nicht. Das kleinste der Jungen hebt den Kopf, schaut neugierig in Richtung Kamera. Der breite Kopf, die kleinen dreieckigen Ohren, der helle Schein um die Schnauze, die ausdrucksstarke Mimik, kein Zweifel, ein Wolf sieht mich an.Ein brechender Ast, ein Lockruf, ab geht es im Wolfstrab! Ich wünsche dir Glück kleiner Bruder!    

                                                                                                             
 

Der Riese und das Bernsteinmädchen

Wenn du nach Usedom kommst, findest du zwischen Ückeritz und Pudagla einen Garten für Steine. Riesige Findlinge wurden auf der Insel gefunden, herangekarrt und in weitem Kreis aufgestellt. Während  der Eiszeit, das ist so zwischen zweieinhalb Millionen  und zehntausend Jahre her, hat das große Eis Gesteinsbrocken aus Skandinavien mitgeschleppt, glatt geschliffen und nach dem Schmelzen zurück gelassen. Du findest Basalt, Granit, Porphyr und andere. Es sind erkaltete Gesteine aus der feurigen Glut im Innern unserer Erde. Sie wurden mit Vulkanen in Schweden und um Schweden herum ausgeschleudert. Man erfährt, wie alt die Steine sind, wo sie gefunden wurden und woher sie kamen. Bei einigen Findlingen fehlt diese letzte Angabe. Na, ich hab`s aber doch heraus gekriegt, hab die Schwäne belauscht, die es im Karlshagener Hafen ihren Jungen erzählten.

In Koserow hinterm Deich wohnte die wunderschöne Asta Gabriela. Alle nannten sie Bernsteinmädchen. Du musst nicht denken, dass sie besonders viele Bernsteine fand, so wie die Koserower Bernsteinhexen, nein sie trug mit Vorliebe bernsteingelb leuchtende  Kleider, saß auf der Steilküste am Streckelsberg und ließ die Beine baumeln.

Zur gleichen Zeit lebte in Nordschweden auf dem höchsten Berg im Skandinavischen der riesige Riese Stiefel Langeschäftsky, sein Name, das ist ja klar, geht auf seine Stiefel mit schornsteingroßen Schäften zurück.

 Langeschäftsky schaut in die Runde, zweihundert Kilometer von Norden nach Süden, eintausendfünfhundert Kilometer von Westen nach Osten, späht  über die abfallende Hochebene und die Ostsee bis nach Vorpommern. Er guckt ein bisschen grämelig, denn vor zweihundert Jahren konnte er noch mit wenigen Schritten die paar Seemeilen über die Ostsee nehmen und war immer noch zu Hause in Schweden. Na gucken ist ja nicht verboten und da sieht er, das hast du dir schon gedacht, da sieht er das wunderschöne Bernsteinmädchen, wie sie  die Beine  so  baumeln  lässt, „ hoffentlich fällt sie nicht herunter“. Sie aber steht auf und macht sich davon. Stiefel ist enttäuscht, er kann sie nicht mehr sehen. „ Wie locke ich sie hervor?“ Mädchen sind neugierig. Er nimmt einen riesigen Stein und schleudert ihn über die Ostsee. „Plumps“, klatscht er vor Zinnowitz in die See. „Plautz" fällt der nächste zwischen die Koserower Salzhütten. Gleich ist das Bernsteinmädchen da und guckt. Ein   Stein fällt  bei  Mellenthin  ins Achterwasser.   „ Vorsicht“, ruft das Kreuzgewölbe der alten Backsteinkirche. „Wir wölben uns hier schon an die achthundert Jahre und brauchen keine weiteren Steine.“ Als der nächste Brocken mitten in die bunte Lütower Kneipe stürzt, erschrecken die Schwalben, die hier ein und aus fliegen. Bernsteinmädchen wandert indes zum Möwenort, schaut über die Wiesen, bewundert die schwarzbraunen Rinder, zwei haben sich in den Schilfgürtel abgesetzt, hoffentlich finden sie zurück, staunt über den auffrischenden Wind, zählt die Kormorane auf den Reusen und ärgert sich über den Schaum auf dem Wasser, er ist schmutzig. Oben auf dem Weißen Berg hört man die Möwen kreischen, „ ein Stein, ein Stein, ein Stein“. Und da stürzt er in den Peenestrom, dass die Wellen ein Schachbrettmuster verpasst bekommen.

 Asta Gabriela zieht sich hinter die bunten Glasfester der ehemaligen Pfarrkirche der Zisterzienserinnen zurück. Mit ein paar Schritten ist der Riese heran, es wird ja wohl nicht Passkontrolle auf der Insel sein. Orgelmusik, über dem Altar leuchtet ein Fenster mit dem siebenarmigen Leuchter der Juden, was für ein schönes Zeichen in einer christlichen Kirche. Eine warme Stimme spricht, „ Jesus sagt, wenn das Weizenkorn in der Erde liegt und es erstirbt nicht, bleibt es allein. Wenn es aber erstirbt, so bringt es viel Frucht und bleibt nicht allein“. Der Riese, der in die Fenster gespäht und an der Kirchentür gelauscht hat, staunt, „darüber muß ich nachdenken, am besten auf meinem Berg zu Hause.“

 Bernsteinmädchen aber freut sich über die offene Landschaft am Achterwasser mit binsenbestandenen Gräben und Deichen, staunt über den schlanken Otter, der rasch über die Fernverkehrsstraße huscht, die Möwen, die unbeweglich auf den Laternen hocken, den vorbeischaukelnden Reiher.

 Den Seeadler aber, der den ganzen Tag über Land, Meer und Achterwasser kreiste, zieht es jetzt zu seinem Horst auf dem hohen Baum am Gesteinsgarten. Er zählt die Findlinge, „eins, zwei, drei, jede Menge, alle noch da“.

   Nun weißt du wie die Steine ohne Adresse  nach Usedom gekommen sind. Wenn einer unbedingt ein schönes Mädchen sehen will,  macht er allerlei Dummheiten.


Hans im Glück bei den Fröschen

Steffi hat sich in ihrem Garten einen keinen Teich angelegt. Wir hocken zwischen Lilien und Gilbweiderich auf zwei  dicken Steinen  unter üppigem Bambus. Die drei kleinen Felsen auf der anderen Seite schmiegen sich aneinander wie Geschwister, davor breiten sich die Blätter der Seerose aus. In der Frische nach dem Regen verströmt  der Garten seinen Duft.

Wir sind Teil dieser kleinen Welt, wie auch der winzige Bronzejunge, der mit übereinandergeschlagenen Beinen und hochgekrempelten Hosenbeinen am Ufer hockt. Er blinzelt durch die Regentropfen, die wie Perlen an den Blättern der Weide hängen und lächelt mich an. „Was machst Du hier?“ frage ich. „Ich bin ausgerissen aus Daniels verstaubtem   Märchenbuch, er hat es schon lange nicht mehr aufgeschlagen, ist groß geworden, liest andere Sachen. Ich wollte nicht warten, bis er eines Tages seinen Kindern etwas vorliest. Du kennst mich, ich bin Hans, bin weit in der Welt herumgekommen, hab nach dem Glück gesucht, bis die Gebrüder Grimm mich ins Märchenbuch gesteckt haben.

Wie du siehst, geht es mir gut, der Regen hat mir den Staub abgewaschen und ich bin in guter Gesellschaft. Die bedächtige Gartenschnirkelschnecke mit gelbbraun gestreiften Häuschen hat mir einen schönen Tag gewünscht auf ihrem Weg zu den Heckenrosen. Du kannst ihren langen Schleimstrich, mit dem sie sich den Weg geglättet hat, noch sehen. Der Graureiher hat mir heftig zugenickt als er vorüber flog. Vorsichtshalber habe ich die Goldfische gewarnt. Rechtzeitig, bevor er sie sehen konnte, sind sie  unter die Seerosenblätter geschlüpft.“

„Aber Unterhaltung hast Du keine“, sagt Steffi. „Da irrst du Dich, ärr-ärr-ärr,“ tönt es vom kleinen Felsen und „öeck-öeck-öeck“ schnarrt es vom Seerosenblatt. „Den ganzen Tag, krax-krax-krax, musizieren wir“, quakt ein dritter grasgrüner Wasserfrosch und funkelt mit den goldbraunen Augen, bläst seine dickweißen Schallblasen auf und schmettert „reck-kek-kek- ke.“ „Könnt ihr Eure Musik denn hören?“ frage ich.“ Da legen sie alle drei los, dass sich die Töne überschlagen: „Bloß weil wir keine abstehenden Ohrlöffel haben? Wir  hören doch! Wir haben das Ohr im Kopf, es steckt  in der Haut.“ „ Wo seid ihr hergekommen?“ frage ich. „ Aus dem Bach hinter den Gärten, da hatte Mutter Rana einen dicken Gallertklumpen mit  1000   Eiern abgelegt. Zuerst sind wir nur im Wasser geschwommen, dann ist unser Schwanz verschwunden, einfach eingeschrumpft. Und als wir auch noch Beine bekamen, haben wir uns auf den Weg gemacht und diesen Teich gefunden. Fasst hätte uns im letzten Moment ein Fuchs erwischt. Hans hat`s gesehen und mit seinen Bronzebeinchen  gegen einen Stein gestoßen, „blooong!“. Da hat der Rote einen Schreck bekommen und sich davon gestohlen.“

„Findet ihr denn Futter in dem kleinen Teich?“ „Wir schnappen Wasserwanzen und fangen  mit der Zunge Fliegen und Mücken.“   Das will ich sehen. Als ich mich erhebe, fällt mein Schatten auf  einen der Quaker. Mit einem Satz springt er vom kleinen Fels und zeigt mir seine dicken Hinterbeine. „Platsch“, macht der Teich. Die anderen sind gewarnt, springen und paddeln eilig davon.

 „Tut mir leid, Hans,  dass ich Deine Freunde vertrieben habe“, sage ich. Er aber lächelt immer weiter, Bronzefigürchen können das, „macht nichts, die tauchen bald wieder auf, sie müssen Luft holen.“

 Wenn du willst, kannst du nachsehen, ob sie noch da sind. Wo, möchtest du wissen? In Steffis Garten  am Teich oder an einem ganz anderen Wasser. Du musst nur gut hinsehen und aufmerksam lauschen. 

 

 

Die Ehrenregel und der kleine Fuchs!

Es war einmal ein neugieriger kleiner Fuchs. Eines Tages, die Mutter war ausgegangen, machte er sich heimlich davon. Er würde, nahm er sich vor, sollte ihm ein Tier begegnen, höflich nach seinem Namen fragen und ihm notfalls aus dem Weg gehen, denn Wölfe und Steinadler sind gefährlich, hatte die Mutter gewarnt.

Begegnet ihm der Dachs. „ Ah, schön gestreift“, staunt der kleine Fuchs, „bist du der Wolf?“ „Scher dich weg, sonst pack ich dich!“, knurrt der Gestreifte, „ich bin ein Dachs und habe genug von dir und deiner Familie, deine Mutter hat sich in meinem Bau eingenistet und ich musste mir einen anderen graben!“ „ Oh, Entschuldigung“, sagt der kleine Fuchs und läuft weiter.

Trifft er den Uhu. „Hast du schöne große Augen, bist du der Steinadler?“ „ Mach, dass du verschwindest“, grollt der Uhu. Im vergangenen Jahr hat dein Vater mich angegriffen, mir drei von meinen schönen Federn ausgerissen und ich habe ihm kräftig eins mit dem Schnabel versetzt.

„Oh, dann seid ihr doch quitt!“ „Da hast du quitt! “, kreischt der Uhu und schlägt nach dem Kleinen. Der rennt weinend davon.

Begegnet ihm der Hase. „Warum weinst du kleiner Fuchs?“ „Der Dachs hat mich weggejagt, der Uhu hat mich geschlagen. Ich wollte doch nur wissen, ob sie Wolf oder Steinadler heißen.“ Da sagt der Hase: „Gute Manieren haben die beiden nicht. Aber hier am Rande der großen Stadt gibt es keine Wölfe und Steinadler. Nur vor den Menschen musst du dich in acht nehmen. Sie stellen uns nach und manche greifen andere Menschen an. Statt miteinander zu reden, schlagen sie zu, haben keine Achtung vor anderen.“„Wie meinst du das?“, fragt der kleine Fuchs. Der Hase antwortet: „Jedes Tier weiß, wenn sich zwei streiten und balgen, greift der Stärkere nicht mehr an, wenn der andere am Boden liegt“. „Ja das hat uns die Mama auch gesagt, wenn wir Geschwister miteinander gekämpft haben und hat uns die Ehrenregel erklärt. Wer umfällt, am Boden liegt, seinen Bauch zeigt, wird nicht mehr angegriffen, denn er ist schon besiegt.“ „ Siehst du, und diese Regel wird von dümmlichen, bösen Menschen missachtet, sie schlagen und prügeln erbarmungslos, hören nicht auf.“ „Haben sie Tollwut?“ fragt der kleine Fuchs? „Das sieht nur so aus“, antwortet der Hase, „gegen Tollwut hätten sie rechtzeitig geimpft werden können, sie hätten ihre Ehre behalten und niemand brauchte sich für sie zu schämen, alles wäre gut.

Junghasen schauen auf ihre Eltern und lernen von ihnen: Was ist richtig, was ist falsch, welche Pflanzen darf man fressen, wo kann ein Platz zum Schlafen angelegt werden, wie boxt und balgt man um ein Weibchen, wie schlägt man einen Haken, kurz und gut, wie benimmt man sich.“

„Haben Menschen keine Eltern, die ihnen erklären, wie man sich zu verhalten hat?“ „Doch, aber wenn die es selbst nie gelernt haben oder wenn ihre Kinder nicht auf sie hören wollen, sogar weglaufen….“

Da wird der kleine Fuchs ganz verlegen, bedankt sich beim Hasen und rennt geradewegs zu seiner Mutter zurück. Die hat ihn ein bisschen am Ohr gezaust und er hat versprochen, schlaufüchsig zu sein, nicht mehr wegzulaufen und nie die Ehrenregel, wer am Boden liegt, wird nicht mehr angegriffen, zu vergessen.

 

 

Die Welt ist bunt

Als Paul, der kleine Maulwurf erwachte, war die Mutter fort. Seine Brüder schliefen fest, eng aneinander gekuschelt im trockenen Laub der unterirdischen Nestkammer, sie schnieften leise. Er räkelte sich, er streckte sich, rutschte auf dem Bauch herum und raus aus dem Nest in den Gang hinein und davon.

Vorsichtig robbte er vorwärts, tastete an der dunklen Wand entlang. Plötzlich hörte er fernen Gesang. Wo kam das her? Er folgte den Tönen und schob sich so rasch er nur konnte durch den Gang. Der Gesang wurde lauter und lauter, bis er ihn genau über sich hörte. Paul fing an zu graben, Maulwürfe können das, gezeigt hatte ihm das niemand. Schräg hinauf drückte er die Erde vor sich her, durchstieß den Rasen und schob einen kleinen Hügel auf, steckte die Nase hinaus und blinzelte im hellen Licht. Nichts konnte er erkennen mit seinen winzigen im Fell versteckten Augen. „Wer singt da?“, fragte er schüchtern, „ich sehe dich nicht!“ „Ich heiße Amalie, bin ein Vogel!“ Entsetzt rutschte Paul zurück in seinen Gang.

Die Mutter hatte ihn vor den Vögeln gewarnt, besonders der Falke würde aus großer Höhe jeden Maulwurf sehen, herabstoßen und zupacken. Zitternd kauerte er in seinem Gang, aber der Vogel hatte ihn schon gesehen und flötete: „Komm heraus, du brauchst keine Angst zu haben, ich fresse keine Maulwürfe!“ „Wirklich nicht? Die Mama hat gesagt, der Falke frisst die Unvorsichtigen!“

Da lachte Amalie. „Dummerchen, sieh doch ich bin kaum größer als du, ich bin eine Amsel!“ „Nein ich kann dich nicht gut sehen, erkenne nur einen grauen Schatten.“

„Du Ärmster, wie findest du deinen Weg?“ Paul zwirbelt seine Barthaare und sagt stolz: „Ich taste mich durch unsere Gänge und ich kann riechen!“ „Dann hast du keine Ahnung, wie es hier draußen aussieht?“ „Doch schwarz und grau, etwas heller als bei mir zu Hause!“ „Mein lieber Paul, da weißt du wenig, die Welt ist bunt!“ „Was bedeutet das?“ Da zwitschert die Amsel: „Die Welt ist nicht grau, sie leuchtet, strahlt, ist farbig und schön!“

„Erklär mir das“, bittet Paul, „wo bin ich, wie sieht es hier aus?“„Dein Maulwurfshügel thront  mitten im grünen Gras!“ „Grün wie Spinat, den die kleinen Kinder wegen seiner Farbe nicht essen wollen?“ „Nein, heller und dazwischen rote, gelbe, blaue Blumen!“ „Nicht so schnell, was sind Blumen, was ist rot, gelb, blau?“ „Hübsche Pflanzen, die mit ihren Farben die Insekten anlocken.“ „Aha, die kenne ich, ihre Larven und Puppen schmecken!“ „Ja, aber sie verwandeln sich in Schmetterlinge, können fliegen, besuchen die Blumen und naschen an ihren Blüten, die sie an ihren Farben erkennen.“

„Rot, gelb und blau?“ „Ja!“

„Wie sieht rot aus?“ „Wie Feuer, auffällig und deutlich!“

„Und gelb?“ „Gelb ist heller als grün, die Sonne strahlt so, eine Blume hat sogar ihren Namen von der Sonne bekommen, obwohl die mindestens Hunderttausendmal so hell ist. Zu viel Sonne ist ungesund und für dich lebensgefährlich.“ „Und ich kann das nicht erkennen“, sagt Paul leise.

„Aber fühlen kannst du die rote Hitze des Feuers und die gelbe Wärme der Sonne!“

„Und blau, wie sieht blau aus?“ „Blau ist die schönste Farbe. Wenn keine Wolken am Himmel sind strahlt der Himmel in einer hellen leuchtenden Farbe. Wir werden davon froh gestimmt und singen!“

„Aha, verstehe, dann ist der Himmel heute blau, dein Gesang hat mich hervor gelockt.“

Plötzlich wölbt sich ein zweiter Hügel auf, Maulwurfmutter Franzi packt den kleinen Paul und zieht ihn wieder in die Maulwurfswelt zurück. Da ist der Paul ganz froh, aber manchmal träumt er noch von der Welt mit bunten Blumen und grünem Gras.

 

 

 

Die zwei Holzkatzen      oder was einen Grimmigen lachen macht

 

„Mir ist langweilig“, murrt der dicke Holzkater zur zierlichen Schwester. „Sei nicht ungeduldig, zweihundert Jahre haben wir im dicken Eichenbalken des alten Pfarrhauses gesteckt, bis uns der Bildhauer entdeckt und herausgeholt hat. Wart ab, jemand wird uns mitnehmen, wenn wir ihm gefallen. Müh Dich, Du  guckst gar zu grämelig, Deine scharfe ungeteilte Augenbraue erschreckt, kannst Du nicht wenigstens Deine Mundwinkel ein bisschen höher ziehen?“ „ Du mit Deinen Hängebäckchen, dunklen Holzmasern und  groben Rissen bist auch keine Schönheit, keine Schönheit,“ grummelt der Kater und verstärkt seine gekränkten Falten.

 Es ist ein paar Tage her,angelockt von der großen Eule am Dünenhaus betrete ich die Ausstellung. Sofort fällt mir ein grob  geformtes beleibtes Katzenpaar ins Auge. Viele Schätze hat der Künstler aus den gewachsenen Strukturen herausgelockt. Meine Augen aber wandern immer wieder zu den behäbigen Katzen. Es ist gerade die beleidigte Mine des Katers, die mir gefällt. Nur Kater können derart ablehnend aussehen, ich muss  lachen, kaufe den dickschädligen und seine kleine Schwester dazu.

  Vorsichtig setze ich die zwei zu Hause ab, lasse sie von meinen Katzen Polly und Pascal begutachten. Die stufen die Neuen als gut riechend aber langweilig ein. Gleich guckt der dicke Holzkater noch ein bisschen verschnupfter.

  Ruhe kehrt ein, Schlafenszeit, „bist du zufrieden?“ fragt die kleine Eichenkatze den großen Holzbruder. „Also, so weit ich sehen kann, Fußboden, Schränke, Regale alles Holz, Schilfmatten an den Fenstern, Rattanmöbel und große Kübel mit Pflanzen, das passt schon zu uns,“ sagt er. Da meldet sich die Balkontür: „ Hallo ihr Neuen, ich weiß, wie ihr noch mehr sehen könnt. Morgen früh, wenn die Hausfrau lüftet, werde ich euch ein bisschen anstoßen, poltert und fallt um, dann stellt sie euch auf`s Regal.“  Da meldet sich eine zierlich feine Katze, eine Kubanerin: „Willkommen, willkommen, hier ist die halbe Katzenwelt versammelt, euch wird`s gefallen. Die lange Dünne da am Telefon kommt aus Tschechien, der kugelrunde Graue mit dem Fisch aus Malta, die drei Braunschwarzen stammen aus Afrika, die schwarzweißen Beinbaumler sind aus England und die schwarze Tempelkatze aus Ägypten.“

  Am Morgen blinzelt die Sonne ins Zimmer. „ Hatschie“, niesen die Holzkatzen und staunen. Über die Holzplanken und die Latschenkiefern des Balkons hinweg schaut ein riesiger Ahornbaum ins Zimmer. Kleine Meisen zwitschern: „Grüß grüß euch, grüß grüß euch!“ Vom Reitplatz schallt es: „Seid ihrhirhir jetzt hierhierhier,  seid ihrhir jetzt hierhier?“ Und in der Luft kreist der Bussard: „Hhiääh bin ich, hiääh bin ich.“ Hinter hohen Bäumen rumpelt ein Zug: „Ich ratter zur Oder, ich ratter zur Oder.“ Und jetzt knallt auch noch die Tür gegen unsere Katzen, die fallen um - und werden hoch gestellt.

   Ein schräger Blick ins Schlafzimmer, aus dem Setzkasten grüßt ein Chor winziger Katzen: „ Wir sind schon da, wir bleiben hier.“ Aus der Küche tönt der Katzenkalender: „ Ich zeige die Zeit an: zweiter März, zweiter März, 2007, 2007 .“ Ein Blick nach oben, ein Leinenhimmel regt sich sacht im Luftzug: „Ich verstecke das spitze Dach,“  und  aus  den  Lautsprechern  darüber  summt  es:

„ Leis muß es klingen und singen,  leis.“ Auf der gedrehten Treppe lagern Polly und Pascal, blinzeln und haben alles im Blick.  Und von ganz oben klappert der Computer: „Die Geschichten schreibe ich, ich, ich.“  Der dicke Eichenkater ist  zufrieden und seine kleine Schwester auch.

 Es besucht uns ein Nachbar mit seinem Hund. Der kennt meine Katzen. Sie ignorieren ihn, haben ihm schon vor Wochen gezeigt, wer hier Chef ist. Aber nun sind da die neuen! Vom gefährlichen Katergesicht entsetzt, stellt der große Hund die Nackenhaare auf und knurrt drohend den Hölzernen an. Da scheint der  Grimmige zum ersten Mal zu lachen.

 

 

Dreiäuglein

Es wohnte einmal, ich weiß nicht wo, ich weiß nicht wann, eine Schar Knöpfe in einer engen Blechschachtel. Manchmal öffnete die Hausfrau die Schachtel, Licht fiel hinein, sie kramte, suchte nach Knöpfen für ein neues Kleid oder nach einem Ersatzknopf für Vaters Hemd. Dann wurde es wieder dunkel. Nach und nach wanderten die Knöpfe davon, neue zogen ein, nur ein kleiner Perlmutknopf mit drei Löchern blieb immer zurück. So sehr er sich auch vordrängte und in die Runde schimmerte, er blieb in der Schachtel. „Warum nimmt sie mich nicht?“ beschwerte sich der Keine bei den neuen Holzknöpfen. „Wer braucht schon einen Knopf mit drei Löchern? Wer hat denn drei Augen?“ knarrten die Hölzernen.

Da ward der Kleine ärgerlich und beschloss, allein in die Welt zu ziehen. Als die Schachtel wieder einmal geöffnet wurde, sprang er hoch, überschlug sich und rollte vom Tisch unter den Schrank. Erschrocken guckt das Mäuslein. „ Wo geht es hier in die weite Welt?“ fragt der Knopf. „Ich zeig Dir den Weg. Wenn sich die Stubentür öffnet, schlüpfen wir hinaus,“ sagt es und putzt sich die Barthaare. Richtig, die Tür geht auf, Mäuslein eilt hinaus, der Knopf rollt nach. Keiner hat´s gesehen. Sie rennt voraus, er kullert hinterher, sie trippelt, er rollt auf der endlosen Landstraße. Dem Knopf ist schon ganz schwindelig und Mäuslein schmerzen die Füße. Endlich, es wird schon dunkel, kommen sie in einen großen Wald. Hinter der dicken Kiefer legen sie sich schlafen. Mäuslein träumt von Speck und Käse, der Knopf von Nadel und Faden.

Am Morgen weckt sie das Geschrei des Eichelhähers: „Fremde im Wald, Fremde im Wald!“ Schon sind sie umringt von Igel, Maulwurf, Spitzmaus und Laubfrosch. Von weitem schaut der Fuchs.

„Woher, wohin, was habt ihr vor?“ tönt es durcheinander. Der Uhu auf dem Ast spricht: „Ruhé, Ruhé, was wollt ihr tun, was tun?“ Mäuslein sagt ängstlich: „Ich will zurück, ich fürchte mich, der Fuchs wird mich fressen.“ „Keine Angst,“ beruhigt der Igel, legt sich das Mäuslein auf den Bauch, rollt sich zusammen und kugelt davon. Der Fuchs hat das Nachsehen.

Nun erzählt der Knopf von der dunklen Schachtel und sagt traurig: „Niemand will mich, mit meinen drei Augen bin ich nicht zu gebrauchen.“ Da spricht der Uhu: „Rolle weiter, weiter, Du wirst Deinen Wert erkennen, erkennen,“ schaut mit riesigen Augen und gleitet lautlos davon.

Vorwärts rollt der Knopf, am Bach macht er eine Pause und trifft die blaue Wasserjungfer, eine Libelle. „Oh wie schön Du in der Sonne glänzt, was suchst Du hier?“ fragt sie. „Meinen Nutzen,“  antwortet der Knopf, „niemand will mich mit drei Augen.“ Da lacht die Libelle, „schau mich richtig an, ich habe fünf Augen, zwei große, die sehen alles und drei winzige, noch kleiner als Deine“, elegant biegt sie sich und zeigt drei Punktaugen mitten auf dem Kopf.

Da freut sich der Knopf, rollt weiter und trifft auf den Pfau. „Was schimmerst Du“, kreischt ärgerlich der Pfau, „willst Du schöner sein als ich?“ plustert sich auf, schlägt ein Rad und stolziert im Kreis. Der Knopf staunt: „Große Augen auf dem Federrad, die reine Prahlerei, sehen kannst Du nicht damit!“ und rollt davon. Am Wegrand macht er eine Pause und lässt sich die Sonne auf den Bauch scheinen.

Die kleine Lisa kommt vorbei, sieht den Knopf und hebt ihn auf. „Oh wie schön“, strahlt sie und zeigt ihn der Oma.       „Sieh doch, er funkelt in der Sonne wie ein Regenbogen und schau, er hat drei Augen!“ „Das ist ein Glücksknopf“,  sagt die Großmutter, zieht kunstvoll einen Zwirn durch alle drei Löcher. Dann hängt sie der Lisa den baumelnden Knopf um den Hals, Lisa lacht.

Da ist der Knopf zufrieden.

 

 

Kleine Liebe

Freitagnachmittag, geschäftig eilen die Menschen über den großen Parkplatz vor dem Einkaufszentrum. Ich warte auf den Sohn und beobachte die Leute.

Da kommt ein älteres Paar vorbei. Gemeinsam tragen sie ein großes Bild. Neugierig betrachte ich es und bin sofort davon eingenommen. Du musst wissen, seit zwei Jahren suche ich nach einem passenden Bild für mein Zimmer. Kurz entschlossen spreche ich die beiden an: „ Entschuldigen Sie bitte, das ist ein wunderschönes Bild, darf ich wissen, wo sie es gekauft haben?“ Die Frau erteilt mir bereitwillig Auskunft, offensichtlich ist sie erfreut, durch mein Interesse ihre Wahl bestätigt zu sehen.

„Bitte, komme mit in die Bilderabteilung“, empfange ich meinen Sohn, „ich habe gerade etwas gesehen, das möchte ich haben, wenn es Dir auch gefällt.“ Von den Wänden und Regalen preist sich eine Unzahl von schmalen und breiten, flachen und hohen, großen und kleinen Bildern in allen Farbspielen an. Meins sticht mir sofort ins Auge. Flüchtig streifen wir durch die Abteilung, vielleicht gefällt ein anderes noch besser? Aber die Entscheidung ist längst gefallen. Wir erstehen das Bild. Mit viel Zirkelei wird es auf der Rückbank meines kleinen Autos verstaut. Ob es vielleicht doch zu groß geraten ist?

Zu Hause stelle ich es erst einmal in der Diele ab, beäuge es von weitem, bin wieder unsicher. Schließlich krame ich Zollstock, Hammer und Nägel hervor und hänge das Bild über der Couch auf.

Riesig, wirklich riesig, noch spricht es nicht zu mir. Alles was sonst die weiße Wand ziert wird entfernt, auch die bunten Kissen vom Sofa darunter müssen weichen und nun ist es soweit, das Bild fängt an zu sprechen. 

Ein großer See unter grau bis orangenem Himmel mit einer Ahnung von hinter Bäumen verschwindender Sonne, ein breiter Bootssteg, der sich weit hinaus schwingt. Ruhe und Weite, Fernweh und Heimat, alles steckt in diesem Bild.

Wie ich es so ansehe, erreicht die Abendsonne mein Zimmer, das Bild beginnt zu leuchten. Das ist ein Zeichen! Wie schön!

Meine Freundin bestärkt mich, als ich ihr davon erzähle: „Bilderkauf bei erster Liebe muss einfach sein. Wir haben auf die Art mal eines zu unserer Schrankwand dazu gekauft, der Rahmen passte. Den schönen Bauerngarten mit den Stockrosen, dem dahinter fast verschwindenden Fachwerkhaus und seinen unaufdringlichen Farben gucke ich immer noch gerne an“.

Und ich?  Jeden Abend warte ich jetzt auf die Sonne, das Leuchten meines Bildes, ich bin zufrieden.

 


Knusper und Knäuschen

Mal herhören  Zwerge, ruft Schneewittchen laut aus,

ich geh jetzt spazieren und ihr bleibt zu Haus,

lasst ja nicht die böse Stiefmutter herein,

die täuscht mit Äpfeln, ziemlich giftig-gemein.

 

Hänsel und Gretel, lauscht dem Ruf aus dem Häuschen,

die Hexe verführt gern mit Knusper und Knäuschen!

Soll selbst Backwerk futtern, bis sie fast platzt,

so wird ihr der schlimme Anschlag verpatzt.

 

Das  Rotkäppchen zu seiner Mutter spricht,

durch den Wald zu der Großmutter gehe ich nicht.

Bringe du ihr den Kuchen und auch den Wein.

Zum Schutz vor dem Wolf lad den Jäger mit ein.

 

Was für ein Wirrwarr, Dornröschen jetzt spricht,

so steht das im Grimmschen Märchenbuch nicht.

Wer beseitigt das Chaos schnell mit Geschick?

Die kluge Else, Frau Holle  und Hans mit dem Glück!

 

Du hast alles gehört und dich gewundert?

Die Märchen im Buch gibt`s seit Achtzehnhundert,

gehört und gelesen in fast jedem Haus!

Schmöker doch einmal, du lernst was daraus.

 

Es war einmal, steht in den Geschichten oft vorn,

doch ist das, was du liest, nicht immer die Norm.

Das Böse verliert. Siegreich sind die braven Leute,

sind sie nicht gestorben, dann leben sie noch heute!      

 

 

Blauveilchen sucht ein Zuhause 

Es war  einmal ein kleines Lächeln, Blauveilchen war sein Name, das lebte versteckt bei einem alten Griesgram, der es nur herausließ, wenn er wieder einmal jemanden geärgert und gekränkt hatte. Dazu zog er einen Mundwinkel hoch, rieb sich die Hände und schon setzte er wieder seine mürrische Mine auf, das Lächeln erstarrte. Manchmal, wenn es von weitem die lachenden Kinderstimmen hörte, wurde es traurig, hätte gern geweint, aber wie denn, da es gefroren war. Es jammerte leise: „Ich armes eingesperrtes Lachen, wozu bin ich da, ich wäre so gern ein richtiges Lächeln.“

Das hörte die Katze, die gerade vorbei strich und sagte: „Sei nicht mehr traurig, etwas Schöneres als ein Lächeln gibt es nicht auf der Welt, komm mit mir und sieh dich woanders um!“ Die Katze packte das Kleine mit ihren Zähnen und trug es zu seiner Hausfrau. Die wunderte sich allerdings: „Was ist los mit dir Kätzchen, warum verziehst du das Maul?“ Du musst wissen, Katzen können nicht lächeln, nur schnurren. Die Katze, die es mit ihrer Hausfrau nicht verderben wollte, ließ das Lächeln fahren und seine schnurrigen Töne erklingen. Die Frau freute sich über die feine Katzenmusik, streichelte das Kätzchen. Blauveilchen aber stand traurig dabei, sah, dass es hier nicht gebraucht wurde und machte sich auf den Weg.

An einer Bushaltestelle hielt es an. Die Wartenden schauten mit ernster Mine, sie sorgten sich, pünktlich abzufahren und möglichst einen Sitzplatz zu erwischen. Der Bus hielt, die Menschen drängten hinein und schnell waren die Plätze besetzt. Eine grauhaarige Frau blieb stehen. Da bot ihr ein junges Mädchen höflich seinen Platz an. Erstaunt sah Blauveilchen, die Graue lehnte mit hochmütigem Gesicht ab. Na, bei der wäre ein herzliches Lächeln kaum möglich, nur ein eitles, dachte Blauveilchen und stieg am großen Rathaus wieder aus.

Es ging in den Park und setzte sich auf eine Bank zu einem alten Ehepaar, lächelte schüchtern und fragte: „Wohin soll ich gehen, ich wäre so gern ein richtiges Lächeln, ich suche jemandem der eins gebrauchen kann“. Der alte Mann brummelte: „Richtiges Lächeln? Dass ich nicht lache, richtiges Lächeln gibt es nicht. Es ist nur ein Reiz im Hirn mit einem Muskelzucken als Antwort!“ Blauveilchen wunderte sich. Das Mütterchen aber schüttelte den Kopf und sagte: „Die Menschen spiegeln sich in ihrem Lächeln. Man kann sehen, wenn sie nervös sind, ihnen etwas peinlich ist, sie ihre Traurigkeit verstecken, sich über jemand lustig machen, aber auch wenn sie unsicher sind oder höflich erkennt man das und natürlich wenn sie glücklich sind.“ „So viele Lächeln? Heißt das, kein Mensch hat das wahre Lächeln 2 Doch, aber es verändert sich ständig und wenn es ehrlich und aufrichtig ist, ist es richtig “, und dabei sah sie ihrem Mann in die Augen, der lächelte fein. Blauveilchen errötete vor Freude, sie hatte das richtige Lächeln gesehen, bedankte sich und ging tiefer in den Park hinein.

Da hörte sie eine Mutter, die ihren kleinen Sohn rief: „Bernd, komm aus der Pfütze heraus, du wirst dich schmutzig machen!“ Der drehte sich um, schüttelte den Kopf, stapfte weiter durchs Wasser, dass es nur so spritze, fiel um. Es verzog sein Gesicht und wollte weinen. Aber die  Mutter hob ihn lächelnd auf und tröstete ihn. Sein Gesicht leuchtete, die blauen Augen strahlten.

Unser Lächeln suchte nicht länger, es hatte seinen Platz gefunden.     

  

                                                                                                                                            

Der Hahn und die Gans

Henning der Hahn schlenderte durch die Felder. Er war müde und hungrig und als er an  ein Bauernhaus kam, traf er auf Adelheit die Gans. Er stolzierte um sie herum, spreizte seine Federn, reckte den Kamm. „Noch nie habe  eine so wunderschöne liebliche Gans gesehen“, sagte er, „ wie herrlich schimmern Deine Federn!“ Dabei umkreist er sie, flatterte auf und ab, dass ihr ganz schwindlig wurde und landete vor ihren Füßen. Die geschmeichelte Gans schnatterte los wie ein Wasserfall, erzählte  von ihrer Familie, dem Ganter und den dreiunddreißig Gänseküken, die sie nach und nach ausgebrütet hatte, wie sie alle geheißen, welch kluge Streiche sie angestellt und wohin sie verkauft worden waren.

Der Hahn ließ ab und zu, „ach, tatsächlich, wie interessant!“ hören und stopfte sich zugleich den Kropf mit ihrem Futter voll. Als er satt war und sie gerade Luft holte zu neuem Redeschwall, sagte der Hahn: „Dumme alte geschwätzige Gans, hast Du wirklich geglaubt, Du könntest mir mitsamt Deinem langweiligen Gerede gefallen?“, krähte  und machte sich davon.

Überheblichkeit macht unsympathisch, aber wenn sie auf Eitelkeit trifft …

 

 

Die alte Grille und die weiße Taube

-ein Märchen für Erwachsene

Es war einmal eine alte Grille, die noch musizieren konnte. Jahrelang hatte sie im Konzert zusammen mit anderen Grillen vorgetragen und hätte ruhig in den Abend hinein singen können.

Aber es kam anders.

Sie sah wie der dicken Kreuzspinne eine große buntschillernde Fliege ins Netz flog. Die Spinne eilte auf ihren langen Beinen zu ihrem Opfer, betäubte es mit Gift, verschnürte es und begann es zu verspeisen. Da ward die Grille, die sich bis dahin mit Pflanzen und winzigen Bodentierchen begnügt hatte, neidisch. Sie rief den Waldschrat und bat: Verschaffe mir Gift, ich werde dich dafür Abend für Abend in den Schlaf singen!

Der Waldschrat, der zaubern konnte, murmelte:  Feuerqualle, grüne Galle,  Fingerhut und böses Blut,

spuckte hinter sich, drehte sich blitzschnell um, fing einen dicken Gifttropfen mit seinem Hut und gab ihn der Grille. Weil sie kein anderes Gefäß hatte, versteckte sie das Gift in ihrem Kopf, wo es sich sogleich in alle Ecken verkroch.

Nun wollte die Grille es der Kreuzspinne gleich tun, es fehlte ihr das Netz. Ungeschickt sprang sie den Fliegen nach. Die flinken Fliegen lachten über sie und ließen sich nicht fangen. Da wurde die Grille ärgerlich, stieß giftige Worte aus. Und wieder lachten die Fliegen. Darüber wurde die Grille so böse, dass sie fortan niemandem mehr ein gutes Wort gönnte, nicht dem Waldschrat, nicht den Spinnen und erst recht nicht den anderen Grillen. Niemand konnte es ihr noch recht machen, sie spuckte und speite Gift, wusste alles besser, gab Ratschläge wo sie nicht erwünscht waren, mischte sich ungefragt ein.

Natürlich ärgerten sich die anderen Grillen, die friedlich miteinander musizieren wollten, denn immer häufiger störte sie, raschelte mit ihren Beinen und mäkelte herum: Setz dich nicht auf diesen Platz, versperr mir nicht die Sicht, sing nicht so laut, sing nicht so leise, du kennst die Töne wohl immer noch nicht. Das wollten die anderen  Grillen nicht länger dulden. Sie fragten die weiße Taube um Rat: Was können wir tun?

Lange schwieg die Taube, kratzte sich mit dem Fuß hinter dem Kopf, dann sagte sie: Eine alte böse Grille ändert sich nie. Ihr könntet so tun, als hörtet ihr sie nicht. Das wird schwer, denn versprühtes Gift ätzt weiter. Aufhören wird sie nicht. Ich sehe nur eine Möglichkeit, sie muss verjagt werden. Ich will meine Base, die Zahntaube zur Hilfe holen, mit ihrem großen kräftigen Schnabel ist sie in der Lage, die alte Giftschleuder in die Flucht zu schlagen.

Darüber erstaunten die Grillen, so ein Rat von der weißen Taube?Gilt sie nicht bei Mensch und Tier als freundlich? Rührt sie nicht als Glückssymbol die Herzen der Menschen?Ist sie nicht als Friedenstaube des Pablo Picasso weltweit bekannt?

Die Taube weiß und weise, lächelt fein und sagt:Habt ihr den bewaffneten Frieden von Wilhelm Busch vergessen –ganz unverhofft auf einem Hügel sind sich begegnet Fuchs und Igel? Überlasst dem Fuchs nicht das Fell.  Ich meine:Freundlich ja, aber nicht um jeden Preis,Glücksbringer schon, doch nicht ohne Verantwortung, friedlich unbedingt, jedoch nicht wehrlos!                                                   

 

 

Das Kätzchen und der Regenbogen

Es war einmal ein Kätzchen, weiß und mit schwarzen Pfötchen, das wurde Schwarzfüßchen genannt. Der Name gefiel ihm nicht, der klang nach ungewaschenen Pfoten. „Die schwarzen Füße müssen weg“, dachte es und putzte und putzte, die Zunge war schon ganz rau, aber die Füßchen wurden nicht heller. „Lauf durch meine Schüssel“, prustete das Mehl, „ ich mach dir weiße Beine“. „ Oh wie schön“, strahlt das Kätzchen, springt in die Schüssel, tappert durchs Mehl und ist mit einem Satz zurück auf dem Boden, betupft, hast du nicht gesehen, in Windeseile die Küche mit lustigem Katzenmuster. Aber ach du Schreck, Hausfrau Mathilde schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und jagt das arme Schwarzfüßchen auf den Hof. Traurig maunzt es „ ich möchte einfarbig sei, ich möchte einfarbig sein.“ „Komm her,“  ruft der Schornsteinfeger , „ich bring dir Glück und mach dich schwarz,“ packt das Kätzchen und so schnell kannst du gar nicht gucken, ist das Kätzlein eingerußt. Stolz sitzt es auf dem Dach, „seht her, ich bin nicht länger Schwarzfüßchen, ich heiße jetzt Schwarztiger.“ „Bisschen klein,“ knurrt der Hofhund, „zu wenig gestreift,“ schnattern die Gänse.

 Da kommt ein Regen, Schwarztiger wird blass, nasses Schwarzfüßchen jammert.

Das dauert den Wind, den starken, er bläst vorsichtig, Schwarzfüßchen soll nicht vom Dach fallen, die Wolken beiseite, die Sonne trocknet ihm den Bauch, nun dreht es sich um und was ist das? Guck doch, ein wunderbunter Regenbogen wölbt sich über den Himmel. Er leuchtet  rot,  orange,   gelb,   grün,   blau,   indigo,   violett   

  und sieh nur, darüber ein zweiter, ein bisschen blasser

 violett  , indigo   blau,   grün,   gelb,   orange,   rot. Schwarzfüßchen staunt und schaut und wundert sich, schon hat es eine neue Idee. „Ich will bunt sein, ich will bunt sein,“ springt vom Dach und eilt dem Regenbogen nach. Der ist bald verschwunden. Schwarzfüßchen macht sich auf die Suche. Es wandert und wandert und kommt bis nach Hamburg. Dort fragt es die bunten Häuser in der Hafenstraße,  „habt ihr den Regenbogen gesehen?“ „Haben wir, er wedelt in der Fontäne auf der Alster, du kannst ihn nicht übersehen.“ Das Kätzchen eilt zur Alster, „da ist er ja,“ nimmt Anlauf und springt in die Fontäne. Platsch, triefend taucht es auf und was für ein Glück, Hein, der Seemann ist mit seinem Sonntagskahn zur Stelle. Er fasst zu und bringt den nassen Schwarzfuß sicher an Land. „Bunt willst Du werden?“lacht er, dann musst du auf großem Pott nach Norden reisen, da kannst Du Dich im Nordlicht grün, lila und anderweitig färben lassen,“ steckt sich das Kätzchen unter den Pullover, bringt   es bei den Landungsbrücken aufs Schiff und lässt es in seiner Kajüte verschwinden. Los geht die Reise, die Mannschaft verwöhnt den Kater. Mal in der einen, mal in der anderen Koje macht er

sich`s gemütlich. Mäuse jagen braucht er nicht, auf den modernen Containerschiffen gibt es keine. Sie schippern so durch den Nord- Ostseekanal, die Ostssee entlang bis kurz vor Finnland und da fängt doch der ganze Himmel an zu wogen und zu wappern, zu schlackern und zu flackern, flammt auf und ab, Nordlichter. Schwarzfuß sieht, wie sich Deck und Aufbauten im Abglanz verändern, auch sein Fell färbt sich grün, lila und anderweitig. Unheimlich ist das und macht schwindelig. „Das steht ja überhaupt nicht still! Nee, nee, das ist nix, “ er will nun doch wieder nach Hause.

Im Zuckeltrapp eilt er auf seinen schwarzen Pfoten zurück. Er kann schon sein Gehöft  sehen, da macht er am Schilfsee eine  Pause, stupst ein Pfötchen ins Wasser, leckt sich, schleckt sich, spritzt herum und putzt sich, dass die uralte Sumpfschildkröte erwacht. „ Was soll der Lärm? Kannst Du Dich nicht wie alle Katzen ohne Wasser putzen? Bunt wolltest du werden? Du bist zu dumm,“ grummelt sie, „setz Dich in den Garten und warte bis das richtige Wetter kommt, da wird die ganze Welt bunt, ganz bunt. Der Reiher hat`s gesehen, die Rohrdommel hat`s erzählt. Wenn die Sonne hinter Dir die heran wandernden Wolken über dem See bescheint, erwacht der Regenbogen, wandert mit der Wolke auf Dich zu, wird breiter und breiter, taucht zuerst den See, dann die Wiese, jetzt den Garten und schließlich auch Dich  in all seine Farben. Du wirst rot, orange, gelb, grün, blau, indigo, violett.

 Sei ein bisschen geduldig, der Regenbogen kommt bestimmt. Inzwischen berede dies und das mit den Bienen, wo der feinste Pollen steckt, wo die Hummeln ihre Nester haben, wer den Honig vom vorigen Jahr gekauft hat und lass dir vorsummen und brummen, was die Wiesen sonst noch zu bieten haben.“

Da ist der Kater zufrieden, jagt die Mäuse, hört auf die Bienen und wartet auf den Regenbogen.


Das neugierige Küken

Es war einmal ein gelbflauschiges Küken, das lebte mit seinen acht Geschwistern in einem winzigen Garten in einem noch winzigeren Stall. Es war das jüngste Kind in der braunen Zwerghuhnfamilie hinter der großen Reithalle am murmelnden Bach. Jeden Morgen weckte der Hahn mit kräftiger Stimme seine Zwerghuhnfamilie und die Menschen im Haus. „Vor Betreten des Gehöfts im Büro melden,“ stand auf dem Schild am Zaun des winzigen Gartens. Spatzen flogen über den Zaun, um rasch ein paar Körnchen zu stehlen, Menschen blieben stehen. Ob sie sich mehr über die emsigen Hühner, die gelben Federbällchen oder das lustige Schild freuten, weiß ich nicht.

 Sorgsam hält die braune Glucke ihre gelbflaumige Kükenschar zusammen. „ Putt, Putt, eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun“, zählt sie. „Putt, putt Füßchen heben, putt, putt Körnchen picken, putt, putt  Wasser trinken, Hälschen recken, putt, putt nicht so nah an den Zaun,“ mahnt sie. Und bei jedem „putt, putt,“ drängen sich acht gelbe Bällchen eng an die Mutter, nur das jüngste ist immer ein bisschen zurück, kommt als letztes, dreht den Kopf nach hinten und hört nicht zu, wenn die Mama von Habicht und Fuchs erzählt.

So wundert es mich nicht, dass, als eines Tages zwei Kinder am Zaun die Hühner locken, unser unaufmerksames Kücken nicht der ängstlichen Glucke sondern den Kindern folgt. Schwups packt es der eine Junge, steckt es in die dunkle Hosentasche und läuft  dem zweiten nach und davon. Dem Küken wird angst und bange, es macht die Augen zu und zittert. Endlich stockt der Lauf, die Jungen machen halt und setzen sich am Rand des Baches auf die Wiese, ziehen das Küchlein aus der Tasche und betrachteten das Verstörte. Es blinzelt im hellen Licht und schweigt. „Was machen wir jetzt damit?“ überlegen die Jungen, - etwas verspätet muss man schon sagen, aber so ist das bei kleinen Jungen, erst handeln sie und dann denken sie nach. „Nach Hause  können wir es nicht mitnehmen, die Katze Minka würde es  fressen und in der Tasche kann es nicht bleiben, es braucht Futter, Licht und Luft, und Mutter würde es nicht wollen.“ Das Küken spitzt die Ohren, das heißt die Federchen an den Ohren und schlüpft, hast du nicht gesehen, in Windeseile ins Gebüsch. Die Jungen trollen sich.

Das Küken sieht sich um, fragt ein graues Mäuslein nach dem Weg. „Immer am Bach entlang, über die große Wiese, an der Pferdekoppel vorbei und dann kannst du dein Gehöft schon sehen“. Es trippelte los auf seinen kurzen Beinchen. Hühner fliegen selten und kleine Küken schon gar nicht. Auf der Wiese trödelt es zwischen Storchschnabel und Hahnenfuß, zupft an den Gräsern, pickt ein Körnchen und trifft ein stacheliges Kerlchen, das nach Schnecken sucht. „Wer bist Du denn“? fragt das Küken. „Spitzki, der Igel“. Da hören sie vom Waldrand das laute „hiiiäh“ eines Habichts. „Schnell unter meinen Bauch,“ ruft der Igel, rollt sich zusammen und wickelt das Küken mit ein. Als die Gefahr vorbei ist, ruft der Igel seine Verwandte, die Gartenspitzmaus. Sie ist noch kleiner als das Küken. „Bring das Federbällchen nach Hause,“ bittet er, „sonst erwischt es noch der Fuchs.“ Sie trippelt voraus, das Küken packt sie am Schwänzchen, los geht es und schon bald sind sie am richtigen Garten. „Du sollst Dich vor dem Betreten des Gehöfts im Büro melden“, sagt das Mäuslein. Aber da gibt das Küken ihm ein Küsschen, was mit einem Schnabel nicht ganz einfach ist, „das gilt nur für Menschen,“ schlüpft durch den Zaun und unter die Flügel der Glucke. Die bedankt sich und bietet dem Mäuslein Abendessen an. Das nippt nur ein wenig Wasser und sagt geziert: „Ich bin eine Spitzmaus, ich fresse nur Insekten,“ und macht sich auf den Heimweg.

 

 

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